Scherin ist 5 Jahre alt und besucht mittlerweile die Kindertagesstätte. Bei ihrer Anmeldung erinnert sie sich daran, wie die Kindergartenleitung fragte, welche Sprache sie spreche. Scherin antwortet: ,,Ezidisch“. Die Kindergartenleitung wirkt irritiert und äußert, ob Scherin wohlmöglich kurdisch meine. Scherin antwortet erneut: ,,Ezidisch.“ Anschließend beobachtet Scherins Vater, wie die Kindergartenleitung unter dem Punkt Volkszugehörigkeit „kurdisch“ einträgt. Scherins Vater verbalisiert der Kindergartenleitung gegenüber, dass er Ezide ist. Wieder wirkt die Kindergartenleitung irriert und entsetzt.
An diesem Beispiel wird deutlich mit welchen Themen ezidischstämmige Kinder und Jugendliche in Deutschland konfrontiert sind. Selbstverständlich ist an dieser Stelle der Kindertages-stättenleitung kein Vorwurf zu machen, da ihr Wissen größtenteils auf ideologisch geprägte (nicht unabhängige, häufig auch von der Kurdischen Regionalregierung finanzierte abhängige Akademiker) wissenschaftliche Verschriftlichungen beruht, in denen die These lautet, dass die Eziden eine Religiöse Minderheit sind und zum Kurdischen Volk gehören. Doch womit wird dieser Mythos begründet? Hierzu später mehr…
Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahren kamen die ersten Eziden vor allem aus der heutigen Türkei nach Deutschland, um den gravierenden Umständen im Heimatland der Eziden zu entfliehen und ein in Deutschland „sichereres“ Leben zu führen. Fragte man die in Deutschland lebende erste und zweite Generation nach ihrem Alltag, verbalisieren sie fast ausschließlich, dass sie in ihrer Heimat im Unterschied zu heute Differenzen bezüglich der Identitätsfrage hatten. Im Heimatland repräsentierten sie kontinuierlich das Ezidische Volk (die Frage der Volkszugehörigkeit wird im Laufe des Lesens beantwortet werden), was aus folgenden Aussagen zu erschließen ist: ,,Kurden sind Muslime. Kurmancis waren diejenigen, mit denen man nicht verwandt war, da sie bezüglich ihrer Kultur starke Differenzen hatten. Nicht selten versuchte das kurdische Volk, damals „kurmanc“ genannt, vor allem in bestimmten ezidischen Dörfern der heutigen Türkei, wie beispielsweise Khanke und/oder Kiwexe über Nacht einzudringen und sie auszuplündern, allerdings vergebens, da die Eziden auf Angriffe dieser Art vorbereitet waren. Hierzu bieten wir Ihnen die Möglichkeit Eziden aus Kiwäxe, Khanke und/oder Bacine zu befragen, die das Ihnen bestätigen werden. Die Eziden lebten in Dörfer. Die Ezidische Community war ausschließlich in eigene, von den Eziden selbst eingerichteten, Dörfern zu finden. Sie pflegten ein „einfaches“ Leben. Auf der anderen Seite lebten sie in ständiger Anspannung, da sie nicht vorhersehen konnten, wann die „kurmancis“ sie erneut angreifen würden.Infolge dieser Erfahrung entwickelte und etablierte sich in der Ezidischen Coummunity das Wort „kurmanc“ zu einem Schimpfwort. Sowohl in der heutigen Türkei, als auch in Ezidischen Dörfern Syriens (wie beispielsweise Afkira und Xrbe Xö) herrschte aufgrund der einfachen und ärmlichen Verhältnisse ein geringer Bildungsgrad, da das Arbeiten und Überleben auf dem Feld bedeutsamer war, als den Besuch einer schulischen Institution. Im Heimatland der Eziden bekannten sich die Eziden kontinuierlich zu dem Ezidschen Volk („mlete ezidi“, was auf ezidisch „das Ezidische Volk“ bedeutet).
Exkursion:
-Kurmanc war und ist nicht die Ezidische Coummunity. Kurmanc sind unter anderem ehemals Ezidische Bürger, die aufgrund der Kriege und Zwangskonventierung eine andere Kultur und Religion angenommen und sich somit der Ezidischen Community entfernt haben.
-Im heutigen Iran gab es einen Berg, wo Stämme der Aramäer, Juden, Assyrer und Eziden gelebt haben, allerdings zum Islam zwangskonventieren mussten. Diese zwangskonventierte Gruppe wurde infolge dessen Kurmancis genannt.
-Kurmanc war im Heimatland der Eziden in Anlehnung der Volksfrage ein Synonym für Kurden, in Anlehnung der Religionsfrage ein Synonym für ezidischesprechende Muslime.
Doch wie ist es möglich, dass sich heute vor allem infolge der oben beschriebenen Geschichte und Erfahrung viele Eziden zu einem anderen Volk -und zwar dem Kurdischen Volk- bekennen?
Hier geht es nicht um die Frage, ob die Eziden ein Volk im rechtssinne sind, sondern um die persönliche und subjektive Identitäsfrage.
In der Reflexion mit Eziden aus der heutigen Türkei wird nicht selten Folgendes verbalisiert:
,,Mit Gewalt war des den Kurmancis nicht möglich uns zu assimilieren, allerdings mit einer emotional einflussreichen Politik.“
Als die ersten Eziden in Deutschland angekommen sind und sich die Frage stellte, ob sie Asyl erhalten, ging es gleichzeitig darum sich in deutschen Behörden vorzustellen. Bitte denken sie hierbei daran, dass die Eziden relativ kurz in Deutschland sind, die Sprache nicht sprechen, sich unsicher fühlen, da ihre Umgebung „neu“ ist und auf Unterstützung anderer angewiesen sind.
Zu dem Zeitpunkt waren die sogenannten Kurmancis aus den Heimatländern auch in Deutschland vorzufinden. Viele von ihnen gehören mittlerweile zu den Intellektuellen, dessen Einfluss in der Wissenschaft der Ezidischen Coummunity zum Verhängnis wurde.
Mit der Zeit entwickelt sich aufgrund einer gemeinsamen Sprache und Herkunftsland ein Verhältnis zwischen den Kurmancis und Eziden.
Wie kam es dazu, dass Eziden sich mit der Zeit in Anlehnung der Volksfrage als Kurden vorgestellt haben?
Hierzu sollten sie wissen, dass die Eziden ungern und schweren Herzens ihre Heimatländer verlassen mussten, da ein friedliches Leben aufgrund der Assimilierung und Unterdrückung kaum und mit der Zeit fast unmöglich war. In Deutschland sehnten sie sich lange Zeit (viele der ersten Generation sehnen sich bis heute) nach ihrer Heimat. Trotz des Lebens in Armut vermissen viele Eziden ihr Land, was bis heute in ezidischen melankolischen Liedern verbalisiert wird.
Die Kurden, die gleichzeitig für einen eigenen Staat kämpften, werbten in ihrer Politik damit, dass es den Eziden infolge eines Kurdischen Staates im Heimatland besser gehen wird und sie zurückkehren können, da man ihnen ein besseres Leben bieten würde. Schließlich nutzt man die Psychische Angeschlagenheit der Eziden und ihre Sehnsucht aus, um sie für eigene Zwecke (Kurdischen Staat) zu instrumentalisieren. Gleichzeitgig ist dieser Prozess mit intensiver „Hoffnungs-Macherrei“, fernab von der tatsächlichen Realität, verbunden. (Heute beschreiben sich rückblickend zunehmend mehr Eziden damals als naiv und “leichtgläubig“.)
Parallel haben zu diesem Zeitpunkt die Kurden eines geschaffen; einen vermeintlich gemeinsamen Feind (die Türken beziehungsweise der Türkische Staat, die den Traum der Kurden-Nationalstaat- im Wege stehen). Argumentativ und in Anlehnung eines psychologischen Einflusses verbalisieren die Kurden den Eziden (in Anlehnung an der Erfahrung mit Assimilierung, Unterdrückung und Stigmatisierung) gegenüber immer häufiger „ein gemeinsames Schicksal“, ein gemeinsames Land und eine gemeinsame Sprache. So kam es immer öfter vor, dass nicht mehr von „den Eziden“ und „den Kurden“ gesprochen wird, sondern ausschließlich von „den Kurden“.
Schließlich ist kurdisch, all das was ihnen für eigenen Zwecke zu Nutze gemacht werden könnte (hierzu empfiehlt es sich in die vermeintlich richtige “kurdischabhängige“ wissenschaftliche Literatur zu blicken, in der selbst die Religiöse Minderheit der Juden seitens der Kurden als kurdisch bezeichnet werden).
Doch auf welcher Ideologischen Grundlage agieren die Kurden im Alltag?
Hierzu sollte es von großer Bedeutung sein sich mit den Politiker Abdullah Öcelan und seinem Grundgedanken des Demokratischen Konförderalismus auseinanderzusetzen, das im heutigen Rojava, besser Norden Syrien, praktiziert wird. Selbstverständlich „kämpfen“ Anhänger des Abdullah Öcelans auf der Grundlage des Demokratischen Konförderalismus für einen Nicht-Nationalstaat, allerdings möchte ich an dieser Stelle folgende Frage stellen:
Inwieweit hat die Kurdische Politik bzw. Ideologie des Demokratischen Konförderalismus den Eziden bezüglich ihrer Selbstverwirklichung weitergeholfen? Was ist tatsächlich (gemeint ist nicht das Instrumentalisieren für anderen Zwecke) im Namen der Eziden für die Ezidische-Community umgesetzt und realisiert worden?
An dieser Stelle möchten wir auf die menschlich unwürdigen Umstände in den Ezidischen Flüchtlingslagern im Norden des Iraks aufmerksam machen, die wiederum von der Kurdischen Regionalregierung gesteuert werden. Und gleichzeitig ist die politische Arbeit und Ideologie der Kurdischen Regionalregierung für die Anerkennung und Eigenständigkeit des Ezidischen Volkes ein großes Hindernis, da sie geschichtlich und bis heute die Eziden instrumentalisieren und gleichzeitig diskriminieren (Ungleichbehandlung, die zu einer Benachteiligung und/oder Herabwürdigung führt). Darüber hinaus möchten wir auf das Religiöse Oberhaupt der Eziden -Shex Hrto, Bave Shekh- aufmerksam machen, der zu Beginn seiner “Amtszeit“ globte lediglich dem Ezidischen Volk zu dienen, allerdings im weiteren Verlauf öffentlich die Eziden als Kurden repräsentierte, vor allem wenn bedeutsame Veranstaltungen des Kurdischen Regionalpolitikers Masud Barzani stattgefunden haben, worin der “Politische Druck“, die Assimilierung und Unterdrückung, fernab eines demokratisch menschenwürdigen Lebens, für die Eziden sichtbar wurde. Auch der Vater von Masud Barzani, Mustafa Barzani, griff zu menschenverachtenden Methoden um die Eziden zu assimilieren. Er beauftragte abhängige Radiosender kontinuierlich zu behaupten, dass die Eziden zu den Kurden gehören, während vor allem in der damaligen Sowjetunion tausende Eziden Proteste veranstaltet haben, um sich dem zu wiedersetzten.
Schließlich geht es hierbei nicht darum, den Lesern eine bestimmte Identität überzustülpen, da jeder Mensch frei entscheiden dürfen sollte, wozu er sich bekennen möchte (persönliche Identitätsfrage).
Allerdings sollte es von großer Bedeutung sein, sich -fernab von politischem Einfluss- der Frage zu widmen, ob die Eziden eine Religiöse Minderheit oder im rechtssinne doch eher ein eigenständiges Volk sind. Von einem Volk wird im rechtssinne gesprochen, wenn man im Rahmen einer Gemeinschaft ein Verwandtschaftsverhältnis pflegt, eine eigene Kultur, Geschichte und Sprache besitzt. Anhand dieser Merkmale werden wir im Folgenden beweisen, dass die Ezidische Coumunnity ein Volk repräsentiert.
Die Eziden sind miteinander verwandt. Der eindeutige Beweis hierfür liegt darin in der Ezidischen Coummunity genauer hinzuschauen, da sie in Shekh, Pir und Mirids unterteilt sind. Ein Kurdisch-stämmiger Bürger wird in Anlehnung der Volksfrage nie einen Shekh, Pir oder Mirid-Titel tragen. (Davon abgesehen bitte ich sie an dieser Stelle die Shekh, Pir, Mirid-Frage nicht auf die Religionsfrage zu reduzieren, was mit dem tatsächlichen Alltag der Eziden nicht zu übereinstimmen wäre.) Davon abgesehen pflegen die Eziden eine eigene Kultur, die in der Kurdischen Community nicht praktiziert wird: Ezidisches Essen, wie beispielsweise „Külicä“ und oder „Schilik“ sind in der Kurdischen Coummunity nicht zu finden. Eine Ezidische Trauerfeier infolge eines Todes verläuft in der Regel zwischen 3-7 Tage, während eine Trauerfeier in dieser Art bei dem Kurdischen Volk nicht zu finden ist. Aus traditionellen Gründen wird einem Ezidischen Jungen nach dem ersten Lebensjahr der Pony geschnitten, was wiederrum mit einem traditionellen Fest und Feier verbunden ist (ezidisch: Bisk). Dieses Phänomen ist in der Kurdischen Coummunity in Anlehnung der Volksfrage nicht zu finden. Eine Ezidische Frau verlässt infolge des Gebähren ihre Wohnung 40 Tage nicht, dessen Gründe kulturell zu begründen sind. Darüber hinaus spricht das kurdische Volk die Ezidische Sprache und nicht andersrum, da das Ezidische Volk geschichtlich gesehen um tausende von Jahren älter als das Kurmanci-Volk ist.
Sicherlich werden Kritiker an dieser Stelle das oben Erwähnte unter dem Deckmantel der Religiösen Minderheit verfassen, was in Anlehnung der Volksfrage im rechtssinne nicht zu tragen ist, da laut Definition einer Religion eine Gemeinschaft zugrunde liegt, die auf der Grundlage einer bestimmten durch Lehre und Satzungen festgelegten Glauben und sein Bekenntnis lebt.
Was die Religiöse Frage betrifft, hat das Ezidische Volk auch eine Religion, dessen Wissen auf der Grundlage der „Olm“ (ezidisch. Olm ist keine Buchreligion!) basiert.
In ähnlichen Worten: Ein Ezide sollte das Recht gelassen werden, selbst zu entscheiden religiös zu sein oder auch nicht. Einem Eziden zu unterstellen seinen Alltag in Anlehnung einer Religion und Glaubens zu praktizieren, würde nicht die tatsächliche Realität wiederspiegeln.
Die Religion des Ezidischen Volkes basiert auf der Grundlage der „Olm“. Das ist unter anderem das Glaubensbekenntnis und die Beherrschung von „Qewls“. Nun gehen wir einen Schritt weiter und stellen die Frage auf, wie viele Eziden tatsächlich Olm´s beherrschen und schließlich die Religiöse Minderheit repräsentieren. Sie werden recht schnell bemerken, dass die Eziden im Alltag tatsächlich ein Volk repräsentieren und nicht eine religiöse Minderheit des Kurdischen Volkes.
Perfekt