Folgendes beweist, dass die Eziden eine ethnische Gruppe sind

 Im Feld der Ethnologie war ursprünglich primär begrifflich von “Völkern“ die Rede, was sich infolge der Arbeit des (einflussreichenden) Ethnologen Shirokogoroff veränderte, da man nun, seit den 1920er Jahren, begrifflich das Wort “Ethnos“ (Synonym für “Volk“) verwendete. Im deutschsprachigen Raum hat seit den 1950er Jahren der Ausdruck “ethnische Gruppe“ Wörter wie beispielsweise “Volk“ ersetzt (Beer, 2019). “Ethnie“ kann als eine überwiegend endogame familienübergreifende Gemeinschaft definiert werden, deren Mitglieder in der gegenseitigen Abgrenzung von anderen Menschen eine gemeinsame Abstammung, eine gemeinsame Geschichte und meist einen gemeinsamen Kanon an Werten und Normen teilen. Bei Endogamie (Binnenheirat) werden Heiratspartner überwiegend innerhalb dieser Gemeinschaft gesucht (Beer,2019). Hervorzuheben aus dieser Definition ist an dieser Stelle, dass in der Endogamie die Heiratspartner hauptsächlich innerhalb der eigenen ethnischen Gruppe ausgewählt werden, was anscheinend für alle global existierenden Ethnien gilt außer bei den Eziden, wo der Aspekt “Binnenheirat“ unter dem Deckmantel der Religion formuliert wird (Stichwort: “Strenge religiöse Heiratsregeln bei den Eziden“). Ob dieses Phänomen legitim ist und was die tatsächlichen Gründe hierfür sind, wird im späteren Verlauf erläutert.Alenfelder (2019) sagt, dass unter dem Begriff “Ethnie“ eine Menschengruppe zu verstehen ist, die durch gemeinsame Eigenschaften, wie beispielsweise Sprache, Kultur und Gebräuche verbunden ist. Der Begriff Ethnie habe nach Schmitt (2019) eine gemeinsame Geschichte, Kultur und die Verbindung zu einem bestimmten Territorium. Weiter zählt er ein Gemeinschaftsgefühl beziehungsweise “einem Gefühl der solidarischen Gemeinsamkeit für eine bestimmbare Population von Menschen“ auf, wozu eine gemeinsame Sprache gehöre (Schmitt, 2019). Zusammenfassend und grundlegend kann gesagt werden, dass eine Ethnie grob aus einer Gruppe mit einer gemeinsamen Sprache, Kultur und Bräuche, Geschichte und gemeinsame Herkunft besteht, wenn wir die Kernaussagen der bisher vorgestellten Definitionen zusammenfassen. Weiter wird nach Alenfelder (2019) das Solidaritätsgefühl beziehungsweise Gemeinschaftsgefühl genannt, dass in Anlehnung an gesellschaftliche Vielfalt und dem individuell ausgeprägten sozialen Hintergrund von Menschen und/oder individuelle Lebenswelten und Praktiken, wie beispielsweise ideologische und politische Einstellungen, in der folgenden Erläuterung außen vor lassen werden, da unter Betrachtung dieses Aspektes es durch die Reihen hindurch scheitern würde eine Ethnie als Kollektiv zu untersuchen, wenn es um eine Untersuchung im Hinblick auf eine ethnische Einkategorisierung geht. Aus den vorgestellten Definitionen werden einzelne Begrifflichkeiten, die für eine ethnische Einkategorisierung von großer Bedeutung sein sollten, aufgezählt und erläutert.Erkenntnis: Aus Definitionen bezüglich einer ethnischen Gruppe kann keine Assoziation zur Religion erkannt werden, was damit zusammenhängt, dass Religion seinen eigenen Bereich hat.Weiter werden die oben erkannten Begrifflichkeiten in Bezug auf eine Ethnie einzeln erwähnen und am Beispiel der Eziden erläutern.

Kultur:

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass Kultur die Gestaltung des Zusammenlebens zwischen Menschen meint (Pawlak (2019), wie die Eziden untereinander leben und nicht-Eziden begegnen. Um den Begriff näher betrachten zu können, erscheint es zunächst notwendig diesen mit Stichpunkten zu füllen, um feststellen zu können, ob die “Art und Weise der Lebenspraktiken“ ezidisch oder “nicht-ezidisch (und somit kurdisch“) geprägt ist. In Anlehnung an Begriffe wie Heirat und Heiratsbräuche würde in Deutschland nie jemand auf die Idee kommen -so die Behauptung-, dass der Junggesellenabschied, die Blumenkinder auf der Hochzeit, „Die Braut über die Schwelle tragen“ und “Reis werfen“ (eines der ältesten deutschen Hochzeitsbräuche) religiöse Verbindungen haben. Interessant ist es an dieser Stelle, wenn es um die Eziden geht. Unter den Namen “Eziden“ werden in literarischen Werken alle folgenden Heiratsbräuche unter dem Deckmantel der Religion vermittelt (Stichwort: “Religiöse Heiratsregeln bei der den Eziden“). Nicht selten wurden in der Vergangenheit hierzu überwiegend negative Assoziationen genannt, was sich an Begriffen wie “Ehrenmorde“ zeigt, was an dieser Stelle nicht selten auf die Religion einer Gemeinschaft zurückgeführt wurde. Fragt man die Betroffenen, in welcher mündlich überlieferten religiösen Passade dieses (die Legitimation des Todes in der Religion) genannt wird, wird es darauf keine adäquate Antwort geben. Sollte dieses mit der Religion legitimiert werden, weil man als Täter vermeintlich sehr religiös war, dann sollte im gleichen Atemzug nach dem Glaubensbekenntnis gefragt werden, das in der Regel nicht zu nennen ist beziehungsweise in Anlehnung des Unwissens bezüglich Religion nicht genannt werden kann. Infolge der kritischen Fragen an Täter würde der Versuch, sein Verhalten mit einer angeblich zum Tode aufgerufenen Religion, zu legitimieren scheitern, was in der Vergangenheit (auch von Außenstehenden) leider nicht der Regelfall war. Hier wäre es notwendig gewesen Mythen auf dem Grund zu gehen und nicht weiterhin Mythen zu reproduzieren. Verhalten einzelner Menschen unabhängig vom Sozialen Hintergrund (wie beispielsweise race, class body und gender) auf die Religion oder Ethnie zurückzuführen, zeigt stigmatisierende und diskriminierende Züge. Daher werden wir in diesem Abschnitt den objektiven Versuch wagen, den Kulturbegriff im Kontext der Heiratsbräuche zu untersuchen. Wie bereits erwähnt gibt es deutsche Bräuche, die fernab von Religion, auf deutschen Hochzeiten praktiziert werden. Bei Eziden sind hierbei folgende Beispiele zu nennen:

“Abholung der Ehefrau aus ihrem Elternhaus vom Ehemann“, 

seitens des Mannes -infolge einer “Kennenlernphase“ mit der zukünftigen Ehefrau“ die Möglichkeit mit Eltern und Zeugen das Elternhaus der zukünftigen Ehefrau zu besuchen, um den Wunsch einer Heirat mit Tochter der Familie der zukünftigen Ehefrau mitzuteilen 

ODER die Möglichkeit mit Ehefrau “durchzubrennen“. An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Möglichkeit mit der Geliebten “durchzubrennen“ ,ohne die Sichtweise und Haltung der Eltern zu berücksichtigen, verhältnismäßig mehr als erwartet in Anspruch genommen wurde, auch im aktuell fremdbesetzten Heimatland der Eziden. 

Nicht selten gibt es am Hochzeitstag einen mit unter anderem Süßigkeiten beschmückten Baum (“dara mraza“), der Glück für das Brautpaar symbolisieren soll. In den Heimatländern der Eziden wurde diese Tradition intensiver gelebt, während diese heute vor allem im Westen unterschiedlich gehandhabt wird. Im postsowjetischen Raum, wie beispielweise Armenien oder Georgien, wird unter Eziden dieses Heiratsritual verhältnismäßig intensiver praktiziert. 

Mit dem “Heiratsauto“ angekommen im Hochzeitssaal, öffnet traditionell der Ehemann seiner Ehefrau die Autotür, sodass sie anschließend aussteigt. Auf dem Weg in Richtung Hochzeitssaaleingangstür wirft die Ehefrau eine häufig aus Ton gebaute ovale Kugel mit Geld und Süßigkeiten auf den Fußboden, was beim erfolgreichen Auseinanderfallen Glück für die Ehe verspricht. Selbstverständlich spricht während oder nach der Hochzeit eine Person (in der Regel ein Ehepaar) mit dem Brautpaar. In dem Gespräch wird das Brautpaar verbal auf eheliche Herausforderungen beraten und vorbereitet.

Bei einer Ezidischen Beerdigung wird der/die Verstorbene umwickelt von einem weißen Leichentuch (“kefen“) in den Sack gelegt und beerdigt. Vorher und nachher wird in der Regel insgesamt über drei oder sieben Tage häufig in einem angemieteten Saal gemeinsam getrauert. Durchgehend werden Essen und Trinken angeboten. Eine traditionell und sehr zeitintensive ezidische Beerdigung auf die Religion zu reduzieren, würde an dieser Stelle für eine realitätsferne konstruiert real nichtexistierende Gegebenheit sprechen, da während der Beerdigung in der Regel maximal wenige Minuten entlang von religiösen Gebeten (Dua) und Hymnen (Qawl) gebetet wird. Objektiv ist auf einer drei oder sieben tägigen ezidischen Beerdigung der Anteil an kulturellen Praktiken (Verteilung von Getränken und Essen entlang einer grundlegenden Gastfreundlichkeit) weit höher als der tatsächlich praktizierte religiöse Teil, was in der Regel von einer Person durchgeführt wird, während die anderen nicht nachahmen, sondern teils zuhören und sich teils weiter um die vielen Gäste kümmern. Um hier ein Beispiel bezüglich unserer grundlegenden Fragestellung (Ethnie versus Religiöse Gruppe) zu nennen, werden wir einen kurzen gedanklichen Schlenker in die Religionspraktiken des Islams oder Christentum während einer Beerdigung machen. Hier ist zweifelslos zu beobachten, dass bei der Rede eines Imams oder Priesters die Anwesenden die religiösen Praktiken teils nachsprechen und/oder nachahmen, was ein Unterschied wie “Tag und Nacht“ zur bereits beschriebenen Ezidischen Community ist. Um den kulturellen Begriff gehaltsvoller mit Inhalt zu füllen, werden wir auf das Neujahresfest eingehen, das weltweit mit Beendigung des letzten Dezembertages eines Jahres gefeiert wird, wo selbstverständlich die Eziden (mit)feiern. Allerdings würde an dieser Stelle nie jemand den Versuch wagen Silvester als religiösen Anlass zu deuten. Warum sollte dieses an dieser Stelle bei den Eziden -die ihr Neujahresfest im April feiern- anders sein?! Eziden wird nämlich, teils selbstverschuldet, unterstellt, dass ihr Neujahresfest religiös bedingt ist, was fernab jeglicher ezidischer Alltagsrealität ist. Sicherlich enthält das ezidische Neujahresfest einen verhältnismäßig kleinen religiös praktischen Anteil, ist aber wie bei der Gesamtbevölkerung als “kulturelles“ Fest einzukategorisieren. Interessant sollte an dieser Stelle ein gedanklicher Schlenker in die Zeit der Sumerer gemacht werden, die ebenso das Neujahresfest im April gefeiert haben und nicht als religiöse Gruppe verstanden werden.

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